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Kapitel J

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Über das „Zurechthören“ von Intervallen

 

Wer Mikrointervalle zu intonieren versucht, entdeckt bald, dass dies nicht so einfach ist. Eines der Hindernisse dafür ist in – mehr oder weniger automatisierten – Prozessen des „Zurechthörens“ zu finden.

 

Diese Verarbeitungsprozesse im menschlichen Gehör sind sehr bekannt, und werden zur Begründung unterschiedlicher musikalischer Phänomene und Erlebnisweisen herangezogen. Rudolf Haases Definitionen dafür können als weiterhin gültig angenommen werden (Kapitel „Zurechthören“ in: Rudolf Haase „Über das disponierte Gehör“, Wien 1977):

 

„Unser Ohr registrierte zwar die Abweichung von der Genauigkeit der Intervalle, doch blieb trotz Verstimmtheit der Intervallcharakter erhalten“ (a.a.O., Seite 33). Haase bezeichnet hier mit dem Wort „Intervallcharakter“ die Typen Quint, Quart usw.

 

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XJ%201%20Intervallcharakter%20bei%20umgestimmten%20T%F6nen.mp3

 

„Mithin besitzt das Ohr die Fähigkeit, zwei unterschiedliche Feststellungen getrennt zu treffen: die der Genauigkeit und die der Empfindungsqualität. Die Registrierung der Verstimmtheit erfolgt offenbar früher, d.h. bei geringerer Abweichung, während der Intervallcharakter über einen größeren Geltungsbereich verfügt“.  So beschreibt Haase eine Tatsache, die seit Leonhard Euler als „Zurechthören“ bekannt ist.

 

Haase meinte, dass das Gehör dabei die Verstimmtheit teilweise ignoriert, korrigiert oder zurechthört: Innerhalb der Bandbreite von bis zu 80 % eines Halbtones würde von allen unterschiedlichen Mikrotönen demnach „der gleiche Intervallcharakter“ ausgelöst.

 

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XJ%202%20Intervallcharakter%20wechselt%20ab%20Grenzbereich.mp3

 

Haase folgert, dass erst so die große Vielfalt möglicher mathematisch-musiktheoretischer Lösungen beim Analysieren von Musik möglich wurde. Zugleich aber zeigt sich hier eine der Grundfragen Mikrotonaler Musik: Der „Mechanismus“ des Zurechthörens wurde z.B. nicht anhand exotischer (mikrotonaler) Tonsysteme gefunden und erläutert.

 

Sondern die beschriebenen Ordnungen des Zurechthörens  gelten jedenfalls für „klassische“ europäische Musik. Dabei wurde untersucht, wie ein Zurechthören für Intervalle wie Oktave, Quinte, Terzen usw. funktioniert - wo für die Frequenzproportionen die ersten Primzahlen herangezogen werden: 1, 3 und 5 (Frequenzproportionen wie 2:6 oder 15:16 sind ja ebenfalls aus der Kombination der ersten Primzahlen ableitbar).

 

Von „DER Terz“ zu sprechen, ist aber ungenau, selbst wenn man sagt „DIE GROSSE Terz“: Es wurde seit dem Mittelalter in Europa die „pythagoreische Terz“ (mit dem Frequenzverhältnis 64:81) verwendet, und es wurde (etwas später) auch die „harmonische Terz“ verwendet (mit dem Frequenzverhältnis 4:5). Es gab in der klassischen Musik mindestens zwei verschiedene große Terzen. Daraus ergeben sich  einige Anfragen an die theoretischen Modelle des Zurechthörens.

 

Zarlinos „Senario“ beruhte ja darauf, dass die Primzahl 5 hier doch noch gerechtfertigt und einbezogen wurde in das Berechnungssystem der Frequenz-Verhältnisse.

 

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XF%206%20senario.mp3

 

Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass es zwei mögliche Großterz-Intervalle geben musste.

 

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XJ%203%20Mathematische%20Ableitung%20der%20pythagoreischen%20Terz-Frequenz.mp3

 

 

Der Unterschied zwischen ihnen war und ist deutlich hörbar (ca. 21,5 Cent).

 

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XH%203%20Schlusswirkung%20pythagoreische%20vs%20harmonische%20Terz.mp3

 

Ausgehend vom Begriff der „Sonanz“ zerfällt „die Terz“ seither eigentlich in zwei (!) verschiedene Intervalle. Beide resultieren aus einfachen rationalen Frequenzverhältnissen. Beide waren musiktheoretisch berechnet und legitimiert.

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XJ%204%20Mathematische%20Ableitung%20der%20harmonischen%20Terz-Frequenz.mp3

 

Aus diesem Kapitel wird hier nur ein Teil veröffentlicht.

 

Bestellung des kompletten Buches bei ud ( at ) soyka-musik.at

 

MMag.art. Ulf-Diether Soyka, Komponist | Marzellingasse 12/14 | A-3400 Klosterneuburg | Tel.mobil +43 676 4268277.
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