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Erhöhte Spannungsgrade in Aufführungen mikrotonaler Musik

Häufig wird von Zuhörenden nach mikrotonalen Konzerten geäußert, dass ihnen diese Musik „kompliziert“, „spannungsreich“ (und nicht nur „fremdartig“) vorkomme.  Nicht wenige Menschen finden diese Musik „anstrengend“ oder sogar „stressig“.

Deshalb gilt es, einige heute sehr relevante Phänomene zu erläutern:

Zunächst ist die Frage zu stellen, was hier eigentlich beurteilt wird: Ist es die Komposition als solche ? Ist es die momentane Ausführung ? Ist es das wahrgenommene Klangergebnis ? Sind es außermusikalische Faktoren ? Ist mikrotonale Musik per se spannungsreicher als andere Musik ?

Häufig wurde in Untersuchungen festgestellt, dass der Stress-Pegel der Ausführenden sich emotionell auf die Zuhörenden überträgt. So wurde z.B. gemessen, dass sich der Pulsschlag des Publikums beim Hören traditioneller Musik im Konzert an denjenigen der Ausführenden angeglichen hat.

Ähnliche Phänomene sind bekannt auch aus den akademischen Methoden der Musiktherapie. Dort ist das Ziel der Musik, heilsam zu wirken.

In der Oper wieder werden solche Resonanz-Phänomene, die sich zwischen Ausführenden und Hörenden abspielen, verwendet, um Spannungszustände und Spannungsänderungen erlebbar zu machen. Nicht zuletzt beruhte der Erfolg von Komponisten wie Giuseppe Verdi darauf, dass sie die Spannung so steigern konnten, dass das Publikum immer drängender den Wunsch verspürte, lautstark zu applaudieren und die Melodien nachzusingen.

Auch Komponisten wie Mozart kannten und verwendeten dieses Phänomen – z.B. in der Arie der Königin der Nacht (Zauberflöte): Es geht in der Handlung der Oper an dieser Stelle nicht darum, dass jemand ganz locker ein Liedchen vor sich hinträllert, sondern die Hörenden sollten hier einen Ausdruck höchster Spannung und Aufgeregtheit erleben. Die Sängerin ist auch wirklich höchst gespannt, ja gestresst, um diese extrem schwierigen Passagen überhaupt singen zu können. Diese Spannung kann vom Publikum deutlich mit-empfunden werden.

Derzeit erleben viele Hinhörenden bei mikrotonaler Musik einen höheren Spannungszustand als bei traditioneller Musik. Dieses Empfinden (das auch als Stress erlebt wird) ist nicht allein auf das Wahrnehmen ungewohnter Frequenz-Zusammenhänge allein zurückzuführen. Sondern es wird derzeit auch eine höherer Stresspegel der Ausführenden übertragen auf die Zuhörenden (und dies umso mehr, je einfühlsamer sie hinhören).

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/UD%20Soyka%20Nano%20Music,%20aus%203.Satz.mp3

Die höhere Nerven- und Muskelspannung von Ausführenden bei mikrotonaler Musik hat mehrere Ursachen. Wie a.o. beschrieben, werden die Ausführenden bei mikrotonaler Musik vor die oft ungewohnte Aufgabe gestellt, nicht „zurecht“ hören zu sollen und die gespielten Mikrointervalle nicht umzukorrigieren in klassische Intervalle, sondern sie mikrotonal klingen zu lassen.

http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XK%2012%20Enharmonische%20Gleichsetzungen%20innerhalb%20des%20Zurechth%F6rbereichs%20Kleine%20Septime.mp3

Die damit verbundenen ungewohnten Herausforderungen bewältigen sie nur, indem sie selber ihre jahrzehntelang gut trainierten Intonations-Reflexe blockieren.

Diese Selbst-Blockade durch die Aufgabenstellung (des nicht-„Korrigierens“ ungewöhnlicher Intervalle) allein löst bei einzelnen Ausführenden schon einen Zustand von Dauerspannung aus, der auch bestehen bleibt, wenn sie nur denken an mikrotonale Proben.

Diese Spannung wird aber nicht von der Mikrotonalen Musik selbst verursacht – die Ursachen können präziser beobachtet werden. Der Stresspegel beim Ausführen mikrotonaler Musik kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem, wie im Detail vorgegangen wird.