Kapitel G
5
Erkenntnisse zur Satzstruktur in mikrotonalen Kompositionen
Es ist eine alte – und in vielen musiktheoretischen Büchern belegte – Beobachtung, dass im Rahmen der Pentatonik
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%201%20Pentatonik.mp3
einige Töne eine besondere Funktion haben (z.B. durch ihre Grundtonwirkung
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%202%20Grundton%20in%20Pentatonik.mp3 ).
Es ist zwar eine Stilfrage, ob dieser oder jener Ton
als Grundton, als Spannungston
usw. empfunden wird, aber auch die Häufigkeit der fünf Töne ist in pentatonischen Kompositionen ungleich verteilt. Und nicht alle fünf Töne stehen untereinander in völlig gleichartigen Spannungsverhältnissen
So gibt es auch in pentatonischer Musik gespanntere und entspanntere Zusammenklänge sowie unterschiedliche Funktionen für jeden der fünf Töne
Ähnlich wurde auch in Musik mit siebenstufigen Tonleitern
beobachtet, dass bestimmten Tönen ein besonderes Gewicht zukam, andere hingegen weniger prägnant eingesetzt und bemerkt wurden. Je nach Stil waren es teils gerade die „pentatonischen“ Töne
die wie ein Gerüst die Abläufe einer siebenstufigen Komposition prägten – oder die bewusst reduziert eingesetzt wurden (wodurch die Siebenstufigkeit der Skala teils deutlicher werden konnte).
Damit zur nächsten Stufe musikalischer Komplexität: In zwölftöniger Musik (und diese begann spätestens mit J.S. Bach) waren es wieder die sieben Töne der Dur- oder Molltonleiter, welchen besondere Bedeutung zukam.
Dies gilt nicht nur für die Musik der europäischen Klassik und Romantik, Paul Hindemiths usw. – selbst in den Kompositionen Alban Bergs und Arnold Schönbergs konnte man durch Addieren der Dauer der einzelnen Tonhöhen keine Gleichverteilung der zwölf Töne feststellen. Stets wirkten – zumindest unterschwellig – „tonale“ (siebentönige) Skalen prägend auch in deren „atonalen“ Phasen (wie man z.B. in den Untersuchungen von Lukas Haselböck nachlesen kann).
So kam es zu den Forderungen der Seriellen Musik (Gleichmäßige Berücksichtigung aller zwölf Töne). Aber auch hier wirkten bestimmte „tonale“ Strukturen prägend weiter (wie z.B. in den Darmstädter Ferienkursen festgestellt wurde, wo „Zwölftonmusik am Klavier“ widerstrebend „wie eine Mischung aus C-Dur mit Pentatonik in Fis“ wahrgenommen wurde).
Nun gibt es aber die Zwölftonmusik, und die Aufregung darüber hat sich längst gelegt (nicht nur wenn sie z.B. im TV-Film an adäquaten Stellen eingesetzt wird)
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2011%20Zw%F6lftonmusik.mp3 .
Und sie besteht neben der weiter wirkungsvoll gebliebenen „diatonischen“
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2012%20diatonisch.mp3
oder „pentatonischen“ Musik
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2013%20pentatonisch.mp3 .
Ist eine ähnlich pluralistische Entwicklung auch bei mikrotonaler Musik zu erwarten ?
Welche Rolle wird also den bisherigen zwölf Tönen zukommen im Rahmen mikrotonaler Kompositionen ? Werden sie zur „Orientierung“ eingesetzt werden ? Werden sie als „Stütztöne“ prägend wirken ?
Werden Mikrotöne in mikrotonaler Musik der Zukunft die Regel oder die Ausnahme sein ? Werden Mikrotöne die innere Struktur
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2014%20Mikrotonale%20Struktur.mp3
und den Eindruck mikrotonaler Musik prägen, oder werden sie wie schmückende Ornamente am Rande ergänzt werden
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2015%20Mikrotonale%20Ornamente.mp3 ?
Die Beantwortung solcher Fragen wird je nach Stil grundsätzlich unterschiedlich ausfallen – wie schon in traditionell mikrotonalen Musikkulturen auch.
Franz Richter Herf meinte, dass vielstimmige mikrotonale Akkorde oft besser klingen als Zusammenklänge mit wenigen Mikrotönen.
Damit war aber verbunden, dass der einzelne Mikroton umso weniger gezielt kontrollierbar war, je mehr andere Töne zugleich klangen. Zumindest galt das für jene Zusammenklänge, von denen Richter Herf sprach.
Zudem ist wesentlich, welcher Ton für welchen Mikroton als Bezugston wirken kann, also u.a. wie lange der Bezugston klingt, bevor er wechselt
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2017%20Bezugston.mp3 .
In ostasiatischer Mikrotonalität werden Bezugstöne oft ein ganzes Stück lang permanent durchgehalten.
Für mich besteht der Zusammenhang zwischen mikrotonaler und zwölftöniger Musik in der aporetischen Rolle der Zwölftonkadenz
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2019%20Eine%20Zw%F6lftonkadenz.mp3 .
Einzelheiten zur 12Ton-Kadenz von Alban Berg (welche sowohl seriell als auch eine Klangreihe sein kann) habe ich 1986 in meinem Vortrag in der Österreichischen Gesellschaft für Musik präsentiert.
Die damals erläuterte Zwölftonkadenz hat (mindestens) eine Doppelfunktion durch ihre Eignung, den Anforderungen von Sonanz-
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2020%20Sonanzsysteme.mp3
und Distanzsystemen
http://www.soyka-musik.at/upload/media2/Zu%20Mikrobuch%20-%20XG%2021%20Distanzsysteme.mp3
gemeinsam gerecht zu werden – solange es um Zwölftonmusik geht.
Da die Zwölftonkadenz aber automatisch auch eine mikrotönige Struktur ist, sobald sie rein intoniert wird, prägt sie unvermeidbar auch die nächste Stufe, die der mikrotonalen Musik.
Aus diesem Kapitel wird hier nur ein Teil veröffentlicht.
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